Um Jahre jünger

Ab und zu sollte man sich vom Sofa erheben und sich kulturellen Dingen widmen. Lust habe ich dazu selten. Aber ich weiß, wenn ich mich aufgerafft habe, werde ich mich später darüber freuen es getan zu haben.

So ein Abend war gestern. Ein Freund hatte Karten für einen – ja wie soll ich sagen, Künstler? Schauspieler? Kabarettist? Komödiant? – besorgt.

Als Schauspieler kannte ich Uwe Steinle. Doch der Name sagte mir nichts. Wenn ich ehrlich bin, dann mochte ich den Schauspieler nie. Doch gestern war es gar nicht so übel.

Trotzdem hatte ich ab und zu den Eindruck, ich sollte ihm eine faule Tomate an den Kopf werfen. Diese einfachen Lösungen zu schwierigen Problemen, finde ich immer ein bisschen schwierig. Da steckt mir dann doch zu viel Polemik drin. Er war zwar immer schwer bemüht sich nicht in eine Richtung festzulegen, was ihm jedoch nur mittelmäßig gelang.

Gerade nach dem Drei-Teiler, der neulich im öffentlich rechtlichen Fernsehen gezeigt wurde, in dem es über die Problematik der Spionage, und anderer Schrecklichkeiten wie Doping, in der DDR ging. Mir wurde erneut bewusst, wie sehr die Menschen unter diesem Regime gelitten haben mussten. Das kann man sich doch nur schwer Schönreden.

Natürlich haben sich die Menschen arrangiert. Das hätte ich sicher nicht anders getan. Immerhin war es doch ihre Heimat. Aber muss man dann heute noch darauf herumreiten, dass nicht alles schlecht war in der DDR?

Vor allem, wie böse doch die BRD im Grunde ist. Dieser Tenor kam leider zu oft.

Wenn Herr Steinle jedoch über das Leben an sich plauderte und das auf herrlichem Sächsisch, blieben selbst meine Lachmusklen davon nicht unberührt.

Erschreckt war ich allerdings, dass mein Mann, unsere Freunde und ich den Altersdurchschnitt drastisch nach unten getrieben haben.
Fühle ich mich durchaus nicht mehr so jung, wie ich glaube zu sein, wurde mir gestern bewusst, dass ich doch verdammt nochmal überhaupt nicht alt bin.

Wenn man dann bedenkt, dass die meisten im Publikum befindlichen Menschen so alt waren, dass sie bereits zu DDR-Zeiten erwachsen waren, verstehe ich noch viel weniger, dass zustimmende Nicken verbunden mit verbalem Anerkennen.

In der Erinnerung ist die Vergangenheit nie so schlimm, wie sie wirklich war. Mit verklärten Blick denken die Menschen zurück an die gute alte Zeit, wo doch alles so viel besser war. Selbst in der DDR.

Aber wenn es jedoch darum geht, das hier und jetzt zu bemängeln, dann wird es hässlich.

Schade eigentlich, denn das Leben hat so viel zu bieten. Jeden Tag aufs neue. Und sei es nur, dass mir bewusst wurde, wie gut es mir geht und dass ich doch gar nicht so alt bin, wie ich angenommen hatte.