Was macht man mit den Eltern?

Irgendwann trifft es jeden. Zumindest, wenn man noch Kontakt mit den Eltern hat. Dann kommt eines Tages der Punkt – sollten sie nicht vorher abtreten – dass man überlegen muss, was mit ihnen passiert.

Ich bin inzwischen ein Experte in diesen Dingen geworden.
Nicht, dass ich es gewollt hätte. Aber die Umstände haben mich gezwungen.
Ich wäre froh gewesen, wenn mir jemand geholfen hätte, mir Tipps gegeben hätte, wie man das richtige Pflegeheim findet, was es mit dem sogeannten „Durchgangs-Syndrom“ auf sich hat und wie man einen Pflegegrad für die Anngehörigen bekommt, was man da bedenkte sollte.

Ich musste mir das alles selbst „beibringen“ und habe dabei auch festgestellt, dass bei vielen ein gefähliches Halbwissen vorliegt. Was allerdings auch stark durch die Medien geschürt wird.

Neulich habe ich aus Langeweile einen Film angefangen zu schauen, der davon handelte, dass eine ältere Frau aus ihrer gewohnten Umgebung auszieehn musste, und weil der junge Angehörige nicht die Möglichkeit hatte die Frau bei sich aufzunehmen, wurde sie in ein Heim „abgeschoben“. Dort wurde sie wie eine Gefangene gehlaten. Als sie doch raus wollte, weil ihr das Essen nicht geschmeckt hat, wurde sie festgehalten, wogeggen sie sich wehrte und einen Pfleger niederschlug. Daraufhin wurde sie sediert und zudem noch am Bett fixiert.

Das war der Punkt, an dem ich völlig wütend umschaltete.

So ein Blödsinn!

Wir mussten für unseren Betreuten – den Lebensgfährten meiner Schwiegermutter, der nach einem Schlaganfall unfähige war zu sitzen – einen richterlichen Beschluss anfordern, damit er in einem Funktionsstuhl mit der Hüfte fixiert werden durfte, um sich nicht zu verletzen. Das ist Freiheitsberaubung und ist damit nicht Gesetzeskomform. Man darf nachts nicht einmal das Bett soweit absichern, dass der Patient nicht rausfallen kann. Das geht eben nur mit richterlichen Beschluss. Wobei sich der Richter tatsächlich vor Ort einen Eindruck des Patienten macht und das in regelmäßgen Abständen sogar wiederholt. Zudem wird der zu Betreuende regelmäßig angeschrieben, ob er mit der Betreuung zufrieden ist. Da interessiert es auch nicht, wenn der zu Betreuende gar nicht mehr lesen kann, weil er die Augen nicht mehr öffnet und zudem gar nichts mehr kann, weil er quasi im Wachkoma liegt.

Aber ich schweife ab, schon wieder.

Die Realität ist oft eben doch anders, als es uns Filme und die Medien im allgemeinen darstellen.

Ich will gar nicht ausschließen, dass es weniger gute Pflegeheime gibt. Die gibt es ganz sicher. Aber ich denke, die Regel ist doch anders. Aber darüber berichtet niemand. Das ist ja auch nicht reißerisch genug und macht keine Quote.

Daher wundert es nicht, wenn die Altvorderen Angst vor dem Leben in einer Pflegeeinrichtugn haben.

Mein Vater hat meine Mutter sehr lange zu Hause gepflegt. Meine Mutter war sehr dement. Tagsüber war das eher kein Problem, zumal ich sie zwei Mal in der Woche in einer Tagespflege habe unterbringen können. Aber nachts war sie aktiv und hat viel Unsinn angestellt. Was dazu führte, dass mein Vater gar nicht mehr geschlafen hat. Erst jetzt, nachdem meine Mutter nun schon ein halbes Jahr verstorben ist und davor auch schon im Pflegeheim lebte, fängt er langsam an besser zu schlafen.

Zum Glück konnte ich meine Mutter relativ schnell in einem Pflegeheim unterbringen, weil ich mich schon sehr frühzeitig darum bemüht hatte. Das ist auch etwas, was einem keiner sagt, dass man sich rechtzeitg kümmern muss. Wenn man erst handelt, wenn es akut wird, bekommt man unter Umständen eben nicht das beste Pflegeheim.

Natürlich wollte meine Mutter NICHT im Pflegeheim leben.
Das will KEINER.
Aber es geht dann oft eben nicht anders.
Ich erzählte meiner Mutter, dass es quasi eine Kur ist und sie erst einmal zu Kräften kommen muss, dann kann sie auch wieder nach Hause.

Ja, das ist eine Lüge.
Wenn man sich mit Demenz beschäftigt wird man schnell festellen, dass Lügen zum Alltag gehören und wichtig sind. Nur durch Lügen kann man den Betroffenen schützen und sein Leben etwas erträglicher machen.

Meine Mutter jedenfalls hat sich mit dieser Lüge sehr wohl gefühlt. Sie war im Pflegeheim glücklich. Lernte jeden Tag neue Leute kennen, weil sie ja nach fünf Minuten vergessen hatte, dass sie die Leute bereits kennt. Wenn sie jammerte, dass sie nach Hause will und ich ihr sagte, dass sie das ja auch bald kann, fing sie an zu lächeln und war zufrieden. Dann erzählte sie mir, wie schön sie es hat und wie toll alles ist.
Das Spiel wiederholte sich natürlciih alle fünf Minuten. Was zur Folge hatte, dass ich sie nie lange besuchte, weil sie keine Ahnung hatte, wie lange ich überhaupt bei ihr war.

Meine Schwiegermutter war mit ihrer Mutter leider weniger gut im Umgang und hat sie nicht belogen. Was dazu führte, dass die Großmutter meines Mannes sehr unglücklich war und sich auch nicht in der Senioren-Residenz wohlfühlen wollte. Selbst nach dem Durchgans-Syndrom wurde es nicht besser. Ihre letzten Jahre waren dadurch geprägt von Trauer, Unzufriedenheit und Wut.

Das wünscht man doch keinem.

Meine Schwiegermutter lebt jetzt ja auch in einem Pflegeheim.
Wir haben sie belogen und tun das weiterhin. Wir könnten sie auf keinen Fall zuhause pflegen. Sie hat Pflegegrad 4.
Außerdem ist sie dort viel besser untergebracht, weil sie ständig Leute um sich hat. Ständig wird etwas Unternommen. Sie ist nie allein und fühlt sich sehr wohl.
Außerdem wird sie nun auch langsam dement. Sie fragt mich immer wieder, wie es meiner Mutter geht. Mein Mann hat sie beim ersten Mal aufgeklärt, dass meine Mutter doch tot ist und sie das doch wüsste. Das war ihr total peinlich und sie hat sich sehr geschämt. Beim nächsten Mal habe ich gesagt, dass es meiner Mutter ganz gut geht. Und damit war es auch gut.
Meine Mutter hat zum Schluss viel nach ihrem Eltern gefragt. Warum hätte ich ihr sagen wollen, dass diese schön sehr lange nicht mehr leben? Das hätte meine Mutter nur unnütz sehr traurig gemacht.

Verrückte Zeiten

Auch wenn ich es nicht mehr hören kann, verstehe ich doch, dass es die Menschen bewegt. Vor allem die, die direkt davon betroffen sind.

In meinem Freundeskreis gibt es viele Eltern. Die bleiben zwar jetzt zu Hause und müssen Home-Office machen, was aber nicht gleichbedeutend damit ist, die Zeit für ihre Kinder zu haben.

Ich denke, man muss das Beste draus machen.

Meine Lebensumstände zwingen mich, mich mit ganz andere Dingen auseinanderzusetzen. Der Virus ist dabei nur ein kleiner Baustein, der sich mit der Frage beschäftigt, ob wir jetzt noch in die Pflegeeinrichtung kommen.

Stand von heute dürfen wir morgen unseren wöchentlichen Besuch durchführen. Dennoch bin ich gespannt, ob das morgen tatsächlich noch bestand hat. Das Café der Einrichtung ist bereits seit letzter Woche geschlossen.

Mein Interesse gehört nunmehr der Demenz.

Ende 2018 mussten wir meine Tante in einem Pflegeheim unterbringen, weil sie nach einem Zusammenbruch in ihrer Wohnung, nicht mehr in der Lage war sich allein zu versorgen. Das Schlimme dabei war, dass sie derart verwirrt war, dass sie vergaß den Notknopf an ihrem Handgelenk zu drücken und so drei Tage auf dem Sofa lag. Einem glücklichen Umstand war es zu verdanken, dass sie überlebte.

Mein Großvater war ebenfalls an Demenz erkrankt. Als er starb war ich allerdings noch ein Teenager. Ich erinnere mich nur noch, dass er in seiner Welt sehr glücklich war. Mich störte es nicht, dass er nicht wusste, wer ich bin.

Das störte mich bei meiner Tante auch nicht. Ich weiß, sie ist in der Pflegeeinrichtung gut aufgehoben. Sie sieht gut aus und hat viel Spaß dort. Sie lernt jeden Tag neue Leute kennen und findet das super. Sie weiß nicht, warum das so ist.

Seit letztem Jahr ist nun auch klar, dass meine Mutter dement wird. Auch hier ist es ein schleichender Prozess. Noch weiß sie, wer ich bin.
Für meinen Vater ist das Leben mit ihr teilweise zur Herausforderung geworden. Er meistert das alles sehr gut. Ich glaube, er geht darin auf, sich um sie kümmern zu können. Jetzt endlich darf er kochen. Er kochte schon immer gern, aber meine Mutter verbot ihn die Küche zu betreten. Dabei kocht er eindeutig besser als meine Mutter. Das war schon immer so.

Und auch meine Schwiegermutter wird zunehmend verwirrter. Sie hat gute und schlechte Tage. An Schlechten hat sie innerhalb von Sekunden vergessen, was wir als nächstes tun wollten. Oder sie findet den Weg zu ihrem Zimmer nicht. Versucht das geschickt zu überspielen, wenn ich sie darauf hinweise, dass wir in die andere Richtung müssen. Oder sie bleibt am schwarzen Brett stehen und schaut sich ewig die Anschläge an. Dabei kann sie quasi kaum noch etwas sehen.

Das alles bestimmt mein Leben.

Der Corona-Virus gehört eher nicht dazu. Und wird es wohl auch nicht.
Wir sind selbstständig und arbeiten zu zweit in einem Büro. Das ist also quasi schon Home-Office. Sieht man davon ab, dass das Büro ca. 8 km vom Wohnort entfernt ist. Meist fahren wir mit dem Auto. Im Sommer fahre ich gern mit den Rad. Es gibt also keine Ansteckungsgefahr in öffentlich Verkehrsmitteln.

Einzig der Gang in den Supermarkt bleibt eine Gefahren-Zone. Aber auch hier bleibe ich gelassen.

Ich bin ohnehin derart verrückt, dass ich grundsätzlich Lebensmittel für mindestens vier Wochen zu Hause habe. Das ist weniger irgendwelchen (oder besser GAR KEINEN) Verschwörungstheorien geschuldet, als dem Umstand, dass ich es HASSE Hunger zu haben. Außerdem weiß man ja auch nie, wer spontan zu Besuch kommt und so kann ich immer etwas anbieten.

Positive GeDANKEN

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Ich sitze vor dem Rechner, die Finger ruhen auf der Tastatur und ich weiß dennoch nicht, wie ich anfangen soll, was ich positives schreiben sollte?

Ich spüre, dass ich an einem Punkt angekommen bin, an dem sich die Menschen ärgern, mich gefragt zu haben, wie es mir geht und sie sich sicher sind, dass sie es sich das nächste Mal überlegen.

Doch was soll ich sagen? Derzeit ist das Leben ein echtes Arschloch. Ich würde das gern ablegen. Aber es will mir nicht gelingen. Und das mir?! Wo in meiner Welt doch immer alles schön ist.

Dennoch will ich mich bemühen etwas Positives zu schreiben.

  1. Ich habe derart viel Stress, dass ich vollkommen vergesse, wie es mir dabei geht. Ja, das ist positiv. Ich habe keine Zeit darüber nachzudenken, ob ich gesund bin. Ehrlicherweise habe ich schon lange nicht mehr daran gedacht.
  2. Das Leben ist schön!
    Gerade jetzt fällt mir das sehr auf. Ich bin in letzter Zeit sehr oft, manchmal täglich, in einer Pflegeeinrichtung gewesen, die zugegebener Maßen sehr, sehr schön ist. Oberflächlich gesehen, wurde das Beste daraus gemacht und die Menschen können sich hier sehr wohl fühlen.
    Doch ehrlich gesagt: Hier sehen sich die Menschen beim Sterben zu.
    Ja, es ist naiv von mir gewesen, nicht zu wissen, wie es tatsächlich ist.
    Doch niemand setzt sich damit auseinander, wenn er nicht muss. Ich hätte mir das auch wirklich gern erspart. Ich habe Dinge gesehen, für die ich eine lange Zeit brauche, um sie zu verarbeiten. (Mein Absoluter RESPEKT an das Pflegepersonal, die das täglich aushalten müssen.)
    Wenn man dann einen Menschen sieht, der einem ansatzweise nahesteht, der seit der Verlegung aus dem Krankenhaus die Augen nicht öffnet – wahrscheinlich weil er es einfach nicht will – nur im Bett liegt, wie ein Wach-Koma-Patient, das ist kein schöner Anblick.
  3. Umso mehr ist jeder Tag ein guter Tag!
    Jeder Tag ist schön, selbst wenn es regnet und lausig kalt draußen ist. Ich lebe und bin dann doch eigentlich gesund. Es gibt keine Grund sich zu beklagen.
  4. Mein Mann und ich sind noch dichter aneinander gerückt. (Erstaunlich, dass das überhaupt möglich ist.) Das Elend hat uns zusammengeschweißt.

Und so hoffe ich weiter, dass ich mich eines Tages an all das gewöhnt habe und es vor allem irgendwann mal leichter wird.