Lampenfieber

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Ist Fluch als auch Segen.

Die Symptome des Lampenfiebers sind im Grunde etwas, auf das ich gerne verzichten könnte. Doch seine Wirkung ist nicht zu unterschätzen.

Es schäft meine Sinne. Macht mich wach und aufmerksam. In dem Moment, wo ich kein Lampenfieber mehr habe, weiß ich, dass ich versage.

Mein Lampenfieber tritt auf, wenn ich einen größeren Foto-Job angenommen habe. Vor allem dann, wenn ich etwas fotografiere, was mir so nur ein Mal vor die Linse kommen wird. Ich weiß, dass ich keine zweite Chance mehr bekomme. Wie eine Hochzeit. Wenn ich den Moment des Kusses verpasse, dann kann ich ihn nicht wiederholen. Er ist einmalig. Der Ausdruck in den Augen des Paares wird nie mehr der Gleiche sein. Das ist eine enorme Verantwortung.

Meine größte Angst liegt im Versagen der Technik. Das genau in dem Moment der Akku leer ist, der Chip voll. Dabei habe ich natürlich grundsätzlich alles dabei und kann schnell wechseln. Und natürlich schaue ich immer, ob alles im grünen Bereich ist. Was ist aber wenn …

Und genau dieses „Was ist wenn …“ erzeugt schlimmes Lampenfieber.

Mein Fotografie-Professor sagte uns einmal: „Ein Fotograf macht im Schnitt 1.000 Fehler. Das ist so. Wenn es blöd läuft, dann macht man ein und denselben Fehler eben 1.000 mal.“

Dieses Wissen macht es einem nicht leichter. Dennoch versuche ich gelassen zu bleiben und das Beste auch aus Fehlern zu machen. Und ja, es passieren Fehler. Nicht jedes Mal. Und ich hatte Glück, dass es bei mir nicht immer und immer der Gleiche ist.

Was faktisch auch nicht möglich ist.

Damals, als man noch analog fotografierte, nahm ich bereits an, meinen mir eigenen Fehler gefunden zu haben: Der Film transportiert nicht.

Filme waren teuer. Mit einer Länge, dass maximal 36 Bilder dabei herauskamen. Wenn man jedoch gut war, dann konnte man den Film so einlegen, dass man ein bis zwei Bilder zusätzlich berichten konnte. Das hatte jedoch dann leider oft zur Folge, dass der Film gar nicht transportierte. Man musste genau hinschauen und aufpassen, ob sich das kleine Rädchen beim Transport drehte. Was schon mal untergehen konnte, wenn man im Eifer des Fotografierens war.

So hatte ich kein einziges Bild auf den Film gebannt, als wir in Pisa auf dem schiefen Turm waren. Natürlich fuhren wir einen Tag später erneut nach Pisa. Es schmerzte, dass wir von unserem schmalen Budget nochmals den Eintritt zahlen mussten. Zudem schlug das Wetter um. Der Himmel war grau und bildete mit dem Marmor quasi eine Einheit.

Das war beinah so schlimm, wie der Raub, den ich New York erlebte.

Damals studiere ich noch. Hatte kaum Geld. Meine Eltern luden mich ein, eine Woche in der Vorweihnachtszeit in New York zu verbringen. So wie es damals auch noch üblich war, hatte man ein „Beauty-Case“ in dem man hübsch alles als Handgepäck mitnehmen konnte, was zerbrechlich oder schwer war und hineinpasste.

In meinem befand sich nichts weiter als billige Kosmetik und ebenso billiger Modeschmuck. Und meine Filme. Alles, was von Wert war, trug ich bei mir. So auch die Kamera.

Wir warteten an der 5th Avenue auf ein Taxi, dass uns zum Flughafen bringen sollte, als zwei Touristen auf uns zu kamen. Einer hielt mir eine Karte unter die Nase und fragte nach dem Weg. Vorsichtshalber zog ich den Riemen meiner Tasche über die Schulter, sodass meine Tasche sicher vor meinen Bauch lag und schaut in die Karte.

Nachdem ich ihn den Weg gezeigt hatte, war nicht nur der Mann weg sondern auch mein Beauty-Case.

Ich war wie betäubt. Wollte eigentlich den Männern hinterherlaufen. Wovon mich der Concierge des Hotels abhielt und meinte, das sei zu gefährlich, man wüsste nicht, ob die bewaffnet seien und in New York würden die nicht zögern mich entweder abzuknallen oder mit einem Messer zu erstechen.

Da ja nichts von Wert gestohlen wurde, wir zudem unseren Flug erreichen mussten, ging ich nicht zur Polizei.

Auf dem gesamten Flug tat ich kein Auge zu. Es kam mir vor wie in einem Film. Das war doch nicht wirklich mir passiert?

Das aller schlimmste war jedoch, dass mir nur die paar Bilder blieben, die sich noch auf dem Film in der Kamera befanden.

Ein Verlust, der meines Erachtens für den Rest meines Lebens ausgereicht hätte. Doch ich musste feststellen, dass ich immer wieder unter Verlust von Bildern zu leiden hatte und noch immer leide.

Aber ich schweife mal wieder ab.

Interessant finde ich Menschen, die ihrer Meinung nach nie an Lampenfieber leiden. Ich beneide sie nicht. Auch wenn mir das Lampenfieber zuweilen lästig ist, so möchte ich dennoch aus oben genannte Grünen nicht auf sie verzichten. Ich glaube, mir würde der Spaß fehlen. Dann wäre es nur noch Routine. Und das kann ja schnell ziemlich langweilig werden.

Unglaublicher Vergleich

Aufgrund von etwas Leerlauf und dem Drang wichtige Arbeit zu prokrastinieren, habe ich mich mal wieder meinem Büro gewidmet und es aufgeräumt.

Dann habe ich immerhin das Gefühl, als würde ich die Zeit mit etwas Sinnvollem füllen und mein schlechtes Gewissen hält sich in Grenzen, denn wenigstens sieht mein Büro wieder ordentlich aus.

Ich habe tapfer einen gesamten Schrank ausgeräumt. Jetzt habe ich wieder ganz viel Platz. Erschreckend, was man alles aufhebt, nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn.
Unmengen von Papier musste dran glauben.

Nun habe ich mich zwar vor der Arbeit gedrückt, aber jetzt ein toll aufgeräumtes Büro.

In den tiefen eines Regals fand ich eine kleine Fototasche, von der ich überhaupt keine Ahnung hatte, dass sich diese in meinen Besitz befindet. Als ich sie mir ansah, merkte ich, dass etwas in ihr war. Was konnte das sein?

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Ich war vor Wehmut gerührt: hielt ich doch meine alte, analoge Spiegelreflex-Kamera in der Hand. Sie hatte mich sicher durch mein Studium gebracht. So viele schöne Dinge durfte die Linse auf Film ablichten. Allerdings auch viel Gruseliges, denn nicht alles, was ich fotografierte wäre es Wert gewesen. Aber das gehört zum Lernen dazu. Man muss leider wohl auch Quantität erzeugen, um Qualität zu erhalten.

Heute, in der Digital-Fotografie, ist es ja eigentlich sogar noch viel schlimmer. Früher hatte man 36 Bilder zur Verfügung. Da Filme recht kostspielig waren, überlegte man sich natürlich genau, wann man auf den Auslöser drückte. Ich habe mir von dem Geld, was mein Vater mir einmal im Monat bar in die Hand drückte – und von dem ich eigentlich leben sollte – lieber Filme gekauft.

Wahnsinn, wie winzig die Kamera ist. Und leicht. Dabei glaubte ich damals, eine anständige Kamera zu besitzen.

Aber im Vergleich zu der heutigen, ist sie geradezu ein Leichtgewicht. Dabei habe ich das kleine Modell, da ich viel Events fotografiere und da reichen mir drei Kilo, allerdings inklusive Blitz.

Die alte Kamera wiegt gerade mal 940 Gramm. Niedlich. Früher brauchte ich jedenfalls nicht meine Oberarme zu trainieren, damit ich einen Auftrag ohne Schmerzen und späteren Muskelkater ausführen konnte.

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